Senioren-Yoga und das biologische Alter
Zu Beginn steht immer das „Warum“. Was ist der Sinn und Zweck einer Unternehmung, warum mache ich das? Neudeutsch „Purpose“. Warum mache ich eine Seniorenyoga-Ausbildung? Weil ich mit älteren Menschen eine schöne und bewegte Zeit teilen möchte, sie auf das hinweisen was noch geht anstatt was nicht mehr geht.
Zur Altersgruppe der Senior:innen habe ich eine besondere Verbindung. Darüber hinaus geht es auch um das geteilte Wertekonstrukt. Bereits im Kindesalter hatte ich viel mit Senioren zu tun. Ich bin in einem Mehrgenerationenhaus mit meinen Eltern und Großeltern aufgewachsen. Auch die Geschwister meiner Großeltern, ältere Nachbarn, langjährige Mitglieder im Turn- oder Musikverein haben einen bedeutenden Teil meiner Lebenszeit eingenommen. Ältere Menschen haben mich in meiner Freizeit häufiger umgeben, als Babies und Kinder.
Das Leben noch vor sich haben
Erfahrenen Menschen trete ich nach bestem Wissen und Gewissen respektvoll, wertschätzend, achtsam und fürsorglich gegenüber. Es herrscht ein gewisser Hoheitscharakter. In Asien würde man dies das Senoritätsprinzip nennen – Menschen höheren Alters werden gewisse Vorzüge zuteil. Sie haben sich diese Werte „verdient“, da sie schon einen beachtlichen Teil ihres Lebenslaufes hinter sich haben, sagt man. Es wird demnach als Ehre gesehen, ein Senior zu sein. Mit einem Augenzwinkern zitiere ich an dieser Stelle jedoch gerne Schauspielerin Andrea Sawatzki: „Den Lebenslauf haben wir hinter uns, das Leben jedoch vor uns!“
Seniorenyoga begleitet Menschen also in einer späteren Lebensphase auf gesunde und freudige Weise. Es geht darum, dass jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer sich bewusst wird, was noch möglich ist. Wir wollen uns öffnen für die Aktivität und die Gemeinschaft, anstatt allein zuhause zu sitzen und sich in leidvollen Gedanken zu vergehen. Wir verbringen eine Zeit in der Gruppe und zelebrieren dieses wöchentliche Zusammenkommen.
Bereits das Wort „Seniorenyoga“ ruft bei Manchen Zweifel hervor – so alt bin ich ja noch gar nicht!
Was aber definiert Alter? Laut Kavita Pippon, unserer äußerst einfühlsamen und erfahrenen Ausbildungsleiterin, gibt es drei Antworten auf diese Frage:
Das chronologische Alter, diese geliebte oder weniger geliebte Zahl auf dem Papier.
Das biologische Alter, der geistige, seelische und körperliche Zustand eines Menschen.
Das soziale Alter, das uns Einstuft ob wir Kinder, Jugendliche, Erwachsene oder eben Senioren sind. Eine gesellschaftliche Maßnahme für die Statistik sozusagen.
Ausbildung Seniorenyoga mit Kavita Pippon, Feburar 2023 via Mangalam Studio
Megatrend Silver Ager - neuer Zugang zum Alter
A propos Statistik. Das Zukunftsinstitut hat 12 Megatrends definiert. Einer davon nennt sich Silver Society. Es beschreibt die Auswirkungen der „alternden Gesellschaft“, die große Chancen mit sich bringen und einen neuen mentalen und vitalen Zugang zum Thema Alter beschreiben. Wurde Alter mit dem chronologischen und sozialen Wachstum assoziiert und eher negativ gedeutet, beginnt nun eine neue Wahrnehmung: Alter als Weisheit, als biologische Reifung und positiv konnotiert.
Älter und weiser sein, stelle ich mir auch als Erleichterung vor. Man ist entschleunigter, „muss“ nichts mehr und kümmert sich nur noch um qualitative Lebensinhalte, kurzum: gesteigerte Lebensqualität im Alltag – (😊 allesachtsam)
Die steigende Lebenserwartung lädt jede Person ein, bewusst darauf zu achten WIE sie die späteren Lebensphasen einteilen möchte und sich auch hier noch auf neue und unerwartete Wendungen einlässt.
Die größten Highlights im Leben sind vermeintlich auf wenige Jahre zusammenfassen. Wir gehen zur Schule, schließen diese ab, erlernen einen Beruf, gründen eine Familie, schaffen uns Wohnraum, treten erste Reisen an. Irgendwann gehen diese vielen aufregenden ersten Male in eine Routine über und enden für manche in einem langweiligen Trott. Es gilt aber ebendieser Dürre wieder Wasser zuzuführen, damit wieder etwas Neues wächst. Jeder Jahreskreis funktioniert in diesem Zyklus, also darf auch in jeder Lebensphase Neues erblühen.
Wie alt bin ich, wie alt will ich mich fühlen?
Altern hängt zu 25% von den Genen ab und zu 75% von der Umwelt, der Lebensgestaltung und der Ernährung, lernen wir in der Ausbildung. Alter bestimmt sich auch über die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Wringe ich meine Bandscheiben regelmäßig aus, bewege meine Gelenke und tanze in den Tag, wird der Körper erfrischt und kann wieder Nährstoffe anreichern. Kalkablagerungen, Gefäßverengungen, Verkürzungen kommen buchstäblich von lagern (= statisch), eng = (es gibt keinen Raum mehr), und kurz (= die Flexibilität und Weite fehlt). Genau da kann jede Teilnehmerin im Seniorenyoga gegensteuern. Sanfte Bewegungen, angeleitete Meditationen und Atemtechniken öffnen nicht nur die körperlichen Vorgänge, sondern auch Geist und Seele für die Welt.
Yoga am Sessel mit Blöcken, Vorbereitung für die Yogastunde; Fotos: Monika Mehlmauer
Senioren-Yoga Methoden
Als Seniorenyoga Übungsleiterin wird mir eine Auswahl an Methoden übergeben, die zu beherzigen sind, um einen achtsamen Umgang mit den Teilnehmerinnen zu gewährleisten. Knochenbau, Wasserhaushalt, Blutdruck, Lungenvolumen und viele andere Vorgänge verändern sich im Alter. Die Menschen können nicht mehr abrupt aufstehen oder sich auf der Matte verbiegen. Somit gilt das Ebenen-Prinzip:
Beginnen wir mit Übungen im Stehen, bleibe wir auf dieser Ebene,
gehen dann eine Ebene tiefer, zum Beispiel ins Sitzen auf einen Sessel
fahren fort mit Übungen sitzend oder im Vierfüßler-Stand auf der Matte
und enden mit Übungen im Liegen.
Wenn Flow-Elemente wie der Sonnengruß eingeflochten werden, wo alle Ebenen integriert sind, gilt es entweder dies sanft durchzuführen, oder eben mit Hilfsmitteln zu arbeiten und sich rückzuversichern, wie es den Teilnehmerinnen im jeweiligen Moment geht. Jede Person ist für sich selbst verantwortlich und Yoga ist keine klinische Maßnahme. Es geht um Übungen auf Augenhöhe und mit Respekt vor der Person und ihren Möglichkeiten. Das gilt es diplomatisch herauszufinden und stets Variationen anzubieten.
Nachdem sich auch die Sinneswahrnehmungen und die Nervenfortleitgeschwindigkeit verändert, gilt es, für die Übungen mehr Zeit einzuplanen, klar und deutlich zu sprechen und Haltungen vorzuzeigen. Die Wortwahl der Anleitung ist die Essenz – immer wohlwollend und wertschätzend bleiben. Durch die Veränderung der Haut seid achtsam mit Gurten oder Tennisbällen im Einsatz, es darf nichts einschnüren oder reiben. Auch wenn der Ehrgeiz groß ist, so sind Hilfsmittel in jedem Alter im Yoga eine willkommene Maßnahme – es geht um die mentale Bereitschaft diese Hilfe anzunehmen!
Noch ein Element, das Menschen jeden Alters, aber vor allem Kinder und Senioren lieben, sind Geschichten. Geschichten können mit den Asanas erzählt werden oder in einer angeleiteten Meditation, vorgelesen werden oder aber die gesamte Einheit ist eine große Geschichte. Der Kreativität sei hier freien Lauf gelassen.
Für wen ist Seniorenyoga nun geeignet?
Personen, die gerne sanfte Übungen ausführen möchten auf der Matte und/oder dem Sessel
Personen, die durch einschneidende gesundheitliche Erlebnisse wieder langsam zu sich finden möchten und sich körperlich wie mental gut fühlen möchten
Personen, die gerne in der Gruppe praktizieren und sich auf eine wöchentliche Gemeinschaft freuen
Seniorenyoga eignet sich auch, um spezielle Gruppen zu vereinen, z.B. Angehörige, die mit Demenzkranken oder heimischer Pflege in Berührung sind und sich gerne eine Auszeit gönnen wollen und sich mit andern in derselben Situation gegenseitig stärken
Seniorenyoga als Angebot für Seniorenheime vor Ort
Eine Altersgruppe möchte ich nicht nennen, da es auf das biologische Alter ankommt. Würden wir chronologisch kategorisieren, schreibe ich, für die Altersgruppe 60+. Meine derzeit älteste Teilnehmerin ist 81 Jahre und wirklich gut dabei 😊
Wo kann ich an Seniorenyoga teilnehmen?
allesachtsam bietet nun wöchentlich Kurse in Präsenz, donnerstags um 09.30h – siehe Terminübersicht. Anmeldungen bitte telefonisch oder per E-Mail. Namasté, ich freue mich auf euch!
Zur Seniorenyoga Ausbildung
Kavita Jeanette Pippon ist die Koryphäe im deutschsprachigen Raum für Seniorenyoga Ausbildungen. Sie selbst praktiziert schon seit Jahrzehnten und gibt Fortbildungen übers Mangalam Studio in der Steiermark und bei Yoga Vidya in Bad Meinberg. Kavita habe ich als sehr sonniges und achtsames Wesen erlebt, die es selbst über dne virtuellen Raum schaffte eine starke Energie zu erzeugen. Gemeinsam mit einer Teilnehmerin aus Berlin und einer aus Hamburg haben wir intensive 29h miteinander verbracht und uns live voll und ganz dem Thema Seniorenyoga hingegeben. Danke für diese wundervolle Zeit ihr Lieben!