Schmerzen, Entscheidungen und Achtsamkeit

In den letzten Tagen hat das Leben ordentlich Gas gegeben. Ich war überall und nirgendwo, habe funktioniert und nicht mehr funktioniert. Das Handy hatte mich mehr im Griff als umgekehrt. Entscheidungen sind gefallen, große, richtungsweisende. Einflüsse von außen waren da, meine Person gefragt an diversen Ecken und Enden. Achtsamkeit zeigt mir den Weg.

„Jetzt bist du nur da, um zu Empfangen. Du bist sonst immer eine Gebende“, summte die Friseurin in mein Ohr. War es verpönt, sich mitten im Geschehen so einen „Wellness-Termin“ zu vereinbaren? Fast fühlte es sich so an. Kurz darauf erhalte ich einen genüsslichen Cappuccino und die beste Kopfmassage der Welt. Ich darf mich auch verwöhnen lassen inmitten all des Tuns, auch wieder Sein. Diese Auszeit ist essentiell – „you cannot poor from an empty cup“.

Während mir das Leben also durchaus wohlwollend um die Ohren fliegt, rebelliert mein Solarplexus. Es ist zum Teil eine Rebellion der bekannten Art, ein Aufbäumen der alten Muster, aber zugleich auch ein neues Gefühl. Neu ist auch mein Zugang dazu, soweit ich eben kann.

Der Schmerz kam, während ich schlief

Der Schmerz durchzog mich in Wellen in der Magengegend im Bereich des Sonnengeflechtes. Was war los? Ich krümmte mich, wälzte mich von einer Seite zur anderen. Wärme half nicht, Bauchlage nicht, Kälte nicht. ATMEN. Die Uhr zeigt 01:30h, ich seufzte. Eine Ablenkung für die leidvollen Gedanken sollte eine geführte Meditation sein. Ich atmete mich also hinein, etwas milder wurde die Spannung in meinem Körper. Doch er sollte mich weiter begleiten in den kommenden Tagen.

Am Morgen wachte ich (für meine Verhältnisse) besonders früh auf und wollte wirklich kooperieren mit ihm, mit meinem Solarplexus. Ich wollte den Schmerz loswerden, ja. War das die Lösung? Eher mit ihm bleiben, ihn annehmen. Konnte ich ihn annehmen, das war die Frage. Verstand ich, was er mir sagen will? Mein inneres Teufelchen verhandelte mit meinem inneren Engelchen.

Zuerst legte ich den Fokus auf ein bewusstes Aufstehen. Ich berührte liebevoll die schmerzhafte Region am Oberbauch, vertiefte den Atem, wählte gemütliche Kleidung. Ein Ort in der Natur, am Wasser in der Morgensonne sollte es sein. Ich stellte mich einfach nur hin und atmete. Noch tiefer, noch bewusster. Direkt in die Spannung hinein. Ich blickte der Sonne entgegen. Wieder wurde es milder. Ich spürte regelrecht, wie der Schmerz weniger wurde. Wie viel davon war mein Geist, wie viel tatsächlich eine körperliche Entzündung? Statt panischer Flucht in Richtung Ambulanz, blieb ich mit mir und dieser Verkrampfung. Langsam spazierte ich dem Wasser entlang und entkrampfte. Es freute mich, als ich merkte wie ich mich immer besser mit mir verbinden konnte.

Ohne dieses morgendliche Achtsamkeitstraining am eigenen Leib, hätte ich den Senioren-Yoga-Kurs am Vormittag nicht halten können. Dabei dachte ich an meine liebe Gruppe. Vermutlich stand jeder von ihnen einmal oder sogar täglich mit Schmerzen auf. Wie würden sie damit umgehen? Würden sie damit sein, damit atmen, ihn integrieren?

Practice, what you preach

Wohl das Schwierigste in der Rolle als Achtsamkeits- und Entspannungstrainerin oder in der Welt des Yoga ist es, die erlernten und weitergegebenen Instrumente selbst erfolgreich anzuwenden. Je mehr Techniken du kennst, desto leichter und leidloser sollte ja das Leben sein, oder? Wie kommt es dann, dass auch Yogalehrer:innen ein Burnout oder andere Krankheiten erleiden? Yoga, Coaching, Therapie, all das sind Dienstleistungen für und mit Teilnehmer:innen, Klient:innen. Man gibt sehr viel von sich, hält energetisch den Raum. Natürlich kommt auch Vieles zurück. Dennoch bedarf es in diesen gebenden Berufen auch regelmäßigen Auszeiten und täglicher Selbstfürsorge.  „Du solltest ja wissen, wie es geht.“, kommt dann vom gemeinen Volksmund. In dieser Situation ist es noch schwieriger, sich einzugestehen, wenn man es einmal nicht hinbekommt, nicht alles happy peppy ist.

Hundert zu Eins

Das Kennen der Techniken und Instrumente ist das Eine, das Ausführen ist das Andere und das Integrieren in den Alltag die Königsklasse. Nicht umsonst hat selbst der spirituelle Coach und Bestseller-Autor Veit Lindau unlängst verlautbaren lassen, er brauche eine Pause. Pausen sind Teil der Arbeit, besonders auch im selbstständigen, kreativen und holistischen „Business“. Ich gehe also langsam am Fluss entlang, während ich in meinen Schmerz atme und betreibe Ursachenforschung.

  • Was könnten die Ursachen für diesen Schmerz auf körperlicher Ebene sein?

  • Welchen Einfluss hatte meine Ernährungsweise der letzten Zeit?

  • Könnte es mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun haben? Familie, Freunde, Partnerschaft oder eine Ermangelung dessen?

  • Wo fahren alte Ängste körperlich hoch? Was triggert die alten Muster? Wo begebe ich mich in den Mangel und wo in die Fülle? Wo vertraue ich dem  Leben und wo verkrampfe ich?

  • Bin ich Herrscher oder Opfer meiner Entscheidungen? Lenke ich den Wagen des Lebens in eine von mir beabsichtigte Richtung, oder wird er gelenkt?

  • Schaltet das Leben in den nächsten Gang und wirft mich mit voller Wucht aus der Komfortzone, um neue Grenzen zu finden, Grenzen zu erweitern, neues Terrain kennenzulernen?

Entscheidung für einen neuen Lebensabschnitt

Große Entscheidungen machen eine Heidenangst. Ent-scheidung deutet immerhin einen Scheideweg an, ein JA in die eine und ein NEIN in die andere Richtung. Doch nur so geht der Weg des Lebens weiter. Warten und Stagnation mit sinkendem Energielevel hält dich nur auf der Ersatzbank, während das Leben da draußen so aufregend an dir vorbeirauscht. Trotzdem: es geht nicht alles auf einmal. Besondere Dinge brauchen Zeit und Geduld. Alles ist ein Prozess, der sich Schritt für Schritt entwickeln darf. Und kennen sowie setzen, können wir immer nur den einen nächsten Schritt.

Veränderung als beste Freundin

Binnen der letzten drei Jahre hat sich für mich absolut ALLES geändert. Beruflich bin ich von einem Angestelltenverhältnis sukzessive in die Selbstständigkeit gegangen. Inhaltlich habe ich mich von der Qualitäts- und Projektmanagerin zur Yoga- und Achtsamkeitstrainerin entwickelt. Geografisch habe ich meinen Wohnort von der Stadt Wien aufs Land in die Steiermark verlegt. Privat haben sich Freundschaften, Partnerschaften und meine Rolle vom Kind zur Tochter weiterentwickelt. Familienverhältnisse und Generationen haben sich und mich beeinflusst. Die Corona-Pandemie hat uns alle verändert. Klima, Wirtschaft, Politik. Nachrichten prasseln auf uns ein, schnell, reizüberflutend und beängstigend.

Mindset und bewusst-SEIN

Die wohl bedeutendste Veränderung ist jedoch sicher jene meines Bewusstseins. Mein Zugang zum Leben hat sich neu sortiert. Ich sehe die Dinge anders, tiefer, klarer. Ich erlebe sie stärker, feiner, bestimmter. Reisen bedeutet eintauchen, anstatt erfolgreich eine Bucket-List abzuhaken. Essen bedeutet riechen, schmecken, ernten und nicht mehr schnell den Hunger befriedigen. Lieben bedeutet einander vollkommen wahrzunehmen, keinem Endziel entgegenzusprinten. Yoga bedeutet eine ganzheitliche Lebensphilosophie anstatt eines Kursbesuches pro Woche. Familie bedeutet umarmen, Gespräche auf Augenhöhe, erkennen von Bedürfnissen. Achtsamkeit bedeutet wahrnehmen und in absoluter Präsenz sein mit der Person oder der Sache, die gerade ist. Zusammengefasst: Verbindung steht über Trennung.

All das ist und bleibt übrigens eine LEBENSAUFGABE für mich, und für jeden von uns.

allesachtsam

Allesachtsam ist entstanden, als ich vor drei Jahren im Berufscoaching völlig aufgelöst vor einem raumgreifenden Visionboard saß (oder 100 Papierschnipseln verteilt am Parkettboden) und mir die Coachin ermutigend entgegenwarf: „Sie sollten etwas mit Achtsamkeit machen.“ Am Weg von Wien nach Bruck entwarf ich sodann zahlreiche Namen, die „irgendetwas mit Achtsamkeit“ zu tun hatten. Ich recherchierte, es gab schon einiges am Markt. Als ich allesachtsam gebar und via Instagram erstmals in die Welt setzte, war vom heutigen Business erst ein Funke vorhanden, aber bei weitem noch keine Vorstellung von dem, was ich in den nächsten zwei Jahren auch dank euch aufbauen würde. Heute weiß ich, ALLES im Leben kann man achtsam machen, aber nicht ALLES achtsam, den ganzen lieben Tag lang. Man kann aber auch alles unachtsam machen, und nichts mitbekommen. Die Spannbreite zwischen diesen beiden Enden ist groß. Vermutlich bezeichnete ich mich zu Beginn deshalb auch als Achtsamkeitsentdeckerin. Ich musste wirklich erst ganz klein anfangen, dieses Feld der Achtsamkeit zu betreten. Vorsichtig, nach und nach.

Auf der Achtsamkeitsskala von 0 - 100

Wenn 100 ALLES achtsam und 0 absolute Unachtsamkeit wäre, wo würdest du dich im Moment befinden? Ich sage dir, ich verzeichne eine ordentliche Schwankungsbreite auf dieser Skala. An manchen Tagen gelingt es wunderbar und an anderen überhaupt nicht. Aber genau das ist vermutlich die Würze des Lebens. Würde ich mir vormachen, ALLES achtsam auszuführen, würde ich mich einerseits selbst belügen und andererseits in absoluter Strenge und Perfektion kein Leben mehr führen. Achtsamkeit meint schließlich ein Bewusstsein, eine Präsenz für die Dinge und Begegnungen zu entwickeln. Es bedeutet, in den akuten Schmerz hineinzuatmen, ihn wahrzunehmen und mit ihm zu sein. Es bedeutet, am Wasser entlangzuspazieren, wenn die Sonne aufgeht und die Ameisen am Wegesrand zu beobachten. Aber ich kann trotzdem kurz darauf ungeduldig im Auto sitzen oder einen Keks essen. Würde ich täglich meditativ Autofahren und nur noch fasten, würde sich nicht nur der Solarplexus beschweren, sondern auch die ganze Würze des Lebens und die Freude flöten gehen.

Folge der Freude

In dieser Leistungsgesellschaft, die kaum Fehler duldet und sich in Vergleichen suhlt, bin ich groß geworden. Je nach Tagesverfassung leiste ich, dulde ich kaum Fehler und vergleiche mich. Was mach das mit mir? Ich habe Schmerzen, ich leide, mein Energielevel sinkt. Entscheidungen zu treffen, fällt mir durchaus schwer und trotzdem wird es leichter. Dazu stehen und die Konsequenz tragen ist ein Lernfeld. Selbstvertrauen in die eigene Potenzialentfaltung, das ist der Weg. Die Dinge lockerer sehen, mit dem Fluss des Lebens gehen und der FREUDE FOLGEN. Sind wir jemals „fertig“, ich denke nicht. Das einzig Beständige im Leben ist die Veränderung.

Ist das Ergebnis einer Entscheidung ein freudvoller Zustand? Dann folge der Freude. Wenn die Angst auftaucht, will sie dich beschützen. Frag dich nur wovor. Schutz vor etwas Bedrohlichem oder Unterdrückung vor Entfaltung und dem nächsten Level? Es darf auch einmal leicht gehen. Wenn die Steine, die dir in den Weg gelegt werden, immer größer werden, lohnt es sich, einen Blick drauf zu werfen, ob der Weg wirklich zum Klettersteig werden muss. Wenn sich die Steine von selbst aus dem Weg räumen, das Leben dir wohlwollend gegenübersteht, dann darfst du auch loslassen und freudvoll werden. Sage ich es dir, als Leser:in, oder sage ich es mir, als Autorin? Vermutlich uns beiden.

Danke Leben

Ja, ich glaube mittlerweile an die Gesetzmäßigkeiten da draußen. Ja, Spiritualität und Yoga hilft mir, Halt in mir zu finden und ebendiesen in meinen Kursen zu vermitteln. Die Definition von Werten half und hilft mir im Bereich Selbstliebe, Selbstwert und Selbstvertrauen. Lange fühlte ich mich haltlos, mein Tun in Bereichen wenig sinnerfüllt und mein Ziel unklar. Nur lenkt das Universum doch unser Spiel des Lebens. Alles ist Energie. Geld ist Energie. Geld kommt und geht. Gegenstände, Konversationen, Gedanken. Alles ist Energie. Eines kommt, ein anderes geht. Seit ich das zulasse, komme ich aus der Kontrolle und der Anhaftung ins Vertrauen. Vertrauen, das sich die Dinge auch fügen und dann in dein Leben treten, wenn du ihnen gewachsen bist. Es bedeutet natürlich nicht, dass du nur rumsitzt und wartest, dass dir etwas auf dem Silbertablett serviert wird. So einfach wird es uns dann auch wieder nicht gemacht. Manchmal aber, ist das Glück ein Frühstücksweckerl, dass dir jemand bringt. Es ist Musik, die jemand für dich auf einen USB-Stick spielt. Manchmal ist es ein Marienkäfer, der auf deiner Hand Platz nimmt. Manchmal ist es einfach ein Moment ohne Bauchschmerzen, ein Moment, wo sich dein Körper wohlig warm fühlt und deine Gedanken frei. Manchmal das teilen einer ähnlichen Situation mit anderen. Ob es eine Umarmung deiner Freundin ist, ein Lächeln im Gesicht deiner Eltern oder nur ein tiefer Atemzug, es gibt unendlich viele Dankbarkeitsmomente an jedem einzelnen Tag. Diese sind größer als Vergleiche, Leistung und Fehler. Sie sind, wenn du ALLES achtsam wahrnimmst. 

Wie geht die Geschichte aus?

Wenn es ein Ende gäbe, könnte ich es dir sagen. Das Kapitel Bauchschmerzen löste sich schulmedizinisch alsbald in Wohlgefallen auf und energetisch sagte mir die leise innere Stimme einiges, womit ich arbeiten kann. Dessen Integration dauert jedoch an. Das Umfeld, die Lebensfreude, das Annehmen von Hilfe und bewusste Pausen halfen jedoch bereits immens.

In diesem Sinne, achtsam bleiben und der Freude folgen.

Deine Marlies

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